China Blau beliebte Massenware

[HAD]

Hallo Porzellansammler,

meine Frau besitzt die Reste des Gebrauchsporzellans ihrer Großmutter, eines Kaffeservice der Marke Saxonia Porzellanfabrik Neuhaldersleben, die nur 5 Jahre 1927-1932 exisitierte. Die verbleibenen 4 Tassen mit Untertassen , 7 Kuchenteller Milchkännchen, Zuckerdose, große Kaffekanne sind noch gut erhalten, lediglich das Aufglasur-Mittendekor der Teller ist stark abgenutzt. Die Großmutter hatte es wohl täglich im Gebrauch, ca. 60Jahre. Die große Kaffekanne trägt keine Marke, nur eine große eingepresste 4.
Irgendwie fand ich das Service sehr interessant, vor allem als ich bei Ebay feststellen konnte, dass die Formen und das Motiv fast identisch von fast allen bekannten und unbekannten Gebrauchporzellanfabriken in Deutschland etwa zeitgleich verwendet wurden. Dadurch ist es leicht möglich, unvollständige Service mit Teilen anderer Hersteller zu ergänzen. Die m. W. letzten Teile wurden von Seltmann unter der Bezeichung Dorothea bis vor kurzem produziert und werden noch hier und da abverkauft. Ich habe noch 2 Tassen von der Saxiona Pozellanfabrik Neuhaldersleben bei ebay nachkaufen können, so dass wieder 6 Tassen (alle Tassen im Schrank O:-) ) vorhanden sind. Zusätzlich habe ich günstig eine kleine Kaffekanne kaufen können, die eine nicht im Internet auffindbare Marke trägt, nur den Schriftzug CHINA-BLAU und eine stilisierte Pagode darunter.

Kennt einer von Euch die Marke?

Grüße Harald

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[nux]

Hallo

& willkommen

Hast Du oben im roten Kasten gelesen? Bitte auch das Stück im Ganzen zeigen und Maße mit angeben

Vielleicht auch interessant für Dich, da schon mal reinzusehen; im zweiten Teil sind einige Herstellernamen aufgeführt Bräuchte Hilfe / China Blau

Gruß
nux

[HAD]

Hallo nux,

sorry, ich ging davon aus dass die Massenware hinlänglich von der Form und dem Dekor bekannt ist. Gerne zeige ich den bei mit vohandenen Bestand. Die Stempel sind, mit Ausnahme der Prägung bei der großen Kaffeekanne alle Aufglasur wie auch die Dekore.
Den Thread, den du verlinkt hast habe ich aufmerksam gelesen.

Meine Liste der Porzellanfabriken die China Blau mit nahezu gleichen Formen und Dekoren hergestellt haben, ist noch etwas länger als die dort zitierte.
- Schumann Arzberg, Arzberg, heute Schirnding, gehört nach mehreren Verkäufen heute zu Rosenthal
- Markenname Bavaria: verschiedene Hersteller, Arzberg, Seltmann, Schaller, Schirnding, Winterling u.a.
- Porzellanfabrik Dresden „Portland“, auch Sorau benutzte die Marke Portland
- Porzellanfabrik Duisdorf, von Schumann Arzberg, später Rehania
- VEB Porzellanfabrik Ilmenau, Ilmenau DDR, Verstaatlichung mehrerer Betriebe 1973-1990, dan Triptis-Porzellan, heute Neue Porzellanfabrik Triptis GmbH Schwerpunkt Gastronomie
- Porzellanfabrik Kalk, bis 1900, bei Köln, dann Eisenberg, 1900-1957
- Porzellanfabrik Kronester, Schwarzenbach(1860–1953), später Winterling, Seltmann, Triptis Porzellan
- Porzellanfabrik Moschendorf, Hof-Moschendorf 1878-1957
. Porzellanfabrik Rosslau, Dessau-Rosslau (Elbe) (Ebenfalls Stadtwappen in der Marke) bis 1932
- Saxonia Porzellanfabrik Neuhalderleben 1927-1932
- Porzellanfabrik Oskar Schaller, Schwarzenbach u. a. Standorte siehe Winterling
- Porzellanfabrik Schirnding Bavaria, Schirnding, später von Arzberg übernommen
- Porzellanfabrik Reinhold Schlegelmilch Tillowitz, Schlesien 1894 — 1945
- Porzellanfabrik Schumann, Arzberg , Zweigwerk Duisdorf bei Bonn,,1904-1908, 1908 Westfälische Pozellanfabrik, 1935-1958 Rehania Porzellanfabrik
- Seltmann, Weiden, China Blau, auch als Service „Dorothea“ , gehört heute zur Triptis Porzellan-Gruppe
- Porzellanfabrik Sorau, Sorau Schlesien 1888-1944
- Porzellanfabrik Tuppack, Tiefenfurt Schlesien (bis 1945)
- Porzellanwerke Winterling (Übernahme von ex Schaller) , Schwarzenbach, Kirchenlamitz , Windischeschenbach, ab 1990 Triptis- Porzellan GmbH,, heute Eschenbach-Gruppe

Also anbei die ersten Fotos von meinem Bestand Saxonia Porzellanfabrik Neuhaldersleben

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PSN Tasse mit UT 3.jpg (498.88 KiB) 11728 mal betrachtet

Saxonia China Blau 2 teilig 1.jpg (83.57 KiB) 11728 mal betrachtet

Saxonia China Blau 2 teilig 4.jpg (21.99 KiB) 11728 mal betrachtet

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Es folgt noch mehr
Harald

[HAD]

Hier weitere Bestandfotos:

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China Blau Kanne unbekannt 1.jpg (22.73 KiB) 11728 mal betrachtet

China Blau Kanne unbekannt 4.jpg (19.49 KiB) 11728 mal betrachtet

Von der kleinen Kanne stammt die o. g. Marke, die ich nicht entschlüsseln kann.

Ich hoffe Ihr werdet fündig.
Gruß
Harald

[nux]

uha - sehr schön, danke - da haben wir hier ja gleich noch einen großen Erweiterungsbau und prima Referenzmaterial zu dem Thema, das immer mal wieder vorkommt

aber ich dachte bei 'dem Stück im Ganzen zeigen' eigentlich nur an das der fraglichen, gezeigten Marke, also die unbekannte Kanne. Denn die Form kann auch gelegentlich bei Identifikationen helfen. Dann mal weiter sehen - gestern hatte ich noch nichts Konkretes; weiß oder glaube aber, die Pagode schonmal gesehen zu haben.

Gut - dann 'revanchiere' ich mich mit zumindest noch einem Namen - Porzellanfabrik Erbendorf
Obwohl da schon zu Seltmann gehörend, gibt es eine China Blau Marke von denen nur mit deren Namen vgl. Bild 2-03
[Gäste sehen keine Links]

[HAD]

Danke nux,

von Erbendorf habe ich aber noch keine Stücke China Blau im Netz gefunden. Der Markt ist allerdings unüberschaubar. Inzwischen habe ich zu dem Thema alle Informationen, die im Netz zu finden sind zusammengetragen. Möglicherweise findet sich in der gedruckten Literatur noch mehr über den Urprung dieses offnsichtlich so beliebten "Standardgeschirrs"

Ich veröffentliche hier mal etwas mit der Bitte um Korrektur wenn etwas nicht stimmt - ich bin kein Experte!

Die Geschirrform von China Blau, die nach 1900 in ganz geringfügigen Abwandlungen von s.o. verschiedenen Porzellanfabriken herausgebracht wurde und sich einer großen Beliebtheit erfreute, zeigt leicht kannelierte Wandungen und Tellerfahnen. Bei Tellern gibt es auch Ausführungen mit glatten Rändern. Die Henkelformen von Tassen und Kannen variieren etwas. Das Geschirr war dekoriert mit dem Aufglasur - Druckdekor "China Blau", ein wohl von chinesischen Motiven abgeleitetes Muster, dessen Ursprung im Dunkeln liegt. Dargestellt werden im Zentrum stilisierte Blütenzweige im Stil chinesisch-japanischer Kirschblütenmalerei. Allerdings entspringen Blüten- und Blattform der Fantasie.Links daneben sieht man eine dicke Blumenvase mit Henkeln und mit vereinfachter Bordüre weisser Blüten auf blauem Grund auf einem rechteckigen Tischtuch neben einer rechteckigen Schatulle . Diese Blütenbordüre ist auch bei großen Flächendekoren wie Teller und Kannen unter dem Tischtuch zu sehen, stufenweise mit anderen Blütenmotiven abgesetzt. Auf diesen größeren Flächen ist rechts oberhalb der Bordüre die Vase nochmals zu sehen, Die Ränder sind mit stilisierten weissen Blüten in blauem Feld und Laubranken abwechselnd geziert. Diese Bordüre wird abgesetzt von einem darunter umlaufenden Spitzenmuster durch eine schmale Vergoldungslinie, Diese Bordüre samt Spitzenmuster ist auch nach innen an den Tassen angebracht. Teilweise wurde das Flächendekor auch spiegelbildlich verwendet. Eine Goldline ziert auch die oberen Kanten der Kannen, Gefäße, Teller und Tassen. Auch Henkel von Tassen und Kannen und Gießtüllen von Kannen weisen manchmal Goldlinien auf. Bei Kriegsware ab 1941-46 fehlen die Vergoldungen wegen des Verbots der Verwendung kriegswichtiger Chemikalien Das gleiche Motiv gab es in China Rot, China Grün und China Violett, letztere allerdings seltener.
Nach Gerüchten um die Saxonia Porzellanwerke Neuhaldersleben wurde dieses Muster von der Porzellanfabrik C. H. Tuppack in Tiefenfurt in den 20er Jahren als Gebrauchsmuster angemeldet Quelle: PM&M: [Gäste sehen keine Links] . Ob es allerdings dazu kam, ist fraglich, da das Muster bereits von anderen Herstellern angewendet wurde. Da die Archive von Tuppack im 2.Weltkrieg verloren gingen, ist es nicht nachprüfbar. Vermutlich stammen sogar diese „Abziehbilder“ von den gleichen Herstellern, denn die Muster erscheinen weitgehend identisch, Die Porzellanfabriken hatten für die preiswerte Massenware die Herstellung der auf Wachspapier mit darauf haftenden, vorgedruckten Motiven aus ablösbarer und durch Aufreiben übertragbarer Porzellanfarbschicht sicher sehr früh an Spezialfabriken ausgelagert. Solche Firmen existieren bis heute.
Die Aufglasurdekoration mit diesem Motivs erfolgte, wie schon aus der Bezeichnung hervorgeht, durch Abreiben der Abziehbilder auf der Glasur des fertig gebrannten Scherben. Bei den teilweise mechanisierten Verfahren, wie Abziehbild, Schiebebild oder Direktdruck werden die gleichen Farbkörper-Flussgemische verwendet, die in diesem Fall auf Spezialpapiere entweder in Steindruck oder Siebdruck aufgedruckt sind und dann als Abziehbild vom Papier auf die Porzellanoberfläche übertragen werden. Zum Vergolden von Porzellan benutzt man entweder aus Gold(III)-Chlorid durch Oxalsäure oder Eisen(II)-Sulfat gefälltes und mit basischem Bismut(III)-Nitrat als Flussmittel gemischtes Gold. Es muss nach dem Aufbrennen poliert werden und heißt deswegen Poliergold. Die fertig dekorierten Stücke werden einem sogenannten Schmelzbrand ausgesetzt. Die Einbrenntemperaturen liegen zwischen 750 - 900° C. Sie variieren je nach Farbe (Metalloxyd) und dafür notwendigen Flusszusatz. Während des Schmelzbrandes schmilzt der Flussbestandteil und verbindet so den Farbkörper fest mit der darunter liegenden Glasur. Die verwendeten Farben bestehen aus Metalloxyden bzw. Metallverbindungen, die mit Glasflüssen (eine Mischung aus Mennige, Borsäure, Quarzmehl, Feldspatmehl) versetzt werden. Maßgeblich für die Zusammensetzung der Flüsse ist, dass sie mit ihrem Schmelzpunkt unter dem Erweichungspunkt der Glasur liegen d. h. bei einer Temperatur von ca. 600 - 900° C schmelzen. Das fertige Muster ist leicht durch seine fühlbare Oberflächenstruktur erkennbar.
Es liegt die Vermutung nahe, dass die deutschen Porzellanhersteller mit dem Service „China Blau“ bewusst so etwas wie ein deutsches „Standardgeschirr“ auf den Markt bringen wollten. Die Kompatibilität der Ware sicherte jedenfalls einen breiten Absatz, Immer wieder werden gemischte Services im Gebrauchthandel angeboten. Vorteil der Form- und Motivgleichheit der verschiedenen Hersteller ist noch heute, dass alte, unvollständige Services fast unsichtbar durch Einzelteile anderer Hersteller ergänzt werden können und dadurch eine große Langlebigkeit und Nachhaltigkeit als Gebrauchsporzellan bis in die heutige Zeit besteht. Dank der Internetportale, die Gebrauchtporzellan in großen Mengen anbieten, ist ein Ergänzen verloren gegangener Teile eines Service mit in mehr als 80 Jahren fast unverändert hergestellten Formen und Dekors leicht möglich.

Lediglich die Abrieb- und Spülmaschinenfestigkeit ist bei den alten Dekoren und den Vergoldungen nicht gegeben. Die Aufglasurdekoration stellt die minderste Qualitätsstufe der Porzellandekoration dar und trägt allenfalls die Bezeichnung "spülmaschinengeeignet". Dieses Porzellan war ja früher täglich im Gebrauch und nicht nur „Sonntagsgeschirr“. Und weist i. R. mehr oder weniger starke Abnutzungsspuren auf. Daher ist Spülen von Hand angesagt. Vergoldete Gegenstände dürfen auf keinen Fall in Mikrowellengeräten verwendet werden, da die Goldbeschichtung beschädigt wird. Dennoch besitzt das alte Porzellan mit Gebrauchsspuren gerade den heute so beliebten „Shaby Chic“ mit besonderer Ausstrahlung und passt gut in moderne Einrichtungen. Asiatische anmutende Dekoelemente sind bis heute beliebt.
Seltmann (heute Triptis Porzellan Eschenbach Gruppe)hatte „China Blau“ als Serie „Dorothea“ („China Rot“ als „Theresia“ mit etwas abweichenden Formen) bis vor Kurzem noch im Katalog und verkauft zur Zeit (2018) die Reste ab! (rechts Onlinekatalogbild) Seltmann hatte dabei zeitgemäß die Motive inzwischen als Unterglasurdekor aufgebracht und verzichtet auf die Goldlinie in der Bordüre, gleiches ist bei Nachkriegsware von Arzberg und Schirnding zu sehen..

[HAD]

Sorry,

dass Katologbild habe ich aus urheberrechtlichen Gründen natürlich nicht eingefügt, ist aber leicht aufrufbar bei Seltmann.

Gruß Harald

[Emmi]

Dasselbe Phänomen - Dekor von zahllosen Herstellern verwandt - gibt es auch beim Zwiebelmuster und beim Strohblumenmuster. Übrigens auch blau! China Blau ist zarter, nicht so abstrakt und insgesamt feiner anmutend. Trotzdem ist es immer für jedermann erschwinglich gewesen. Dass Du Deine Nachforschungen auf einen so heimeligen Alltagsgegenstand richtest, gefällt mir. Auch Moden und ästhetische Vorlieben sind Zeitgeschichte und sollten näher betrachtet werden. Mich erinnert das China Blau (entfernt) an die Rahmen und die Seitengestaltung, in die Heinrich Hoffmann die Stuwwelpetergeschichten geschrieben und gezeichnet hat. Viele Kleinigkeiten gibt es zu entdecken.

Grüße

Emmi

[HAD]

Sorry für meine Tippfehler, wenn manmal schnell antworten will ...

Erbendorf gibt es doch in China Blau, allerdings nur als einer der vielen Standorte von Seltmann, die ein Teil der Produktion dorthin verlagerten.

[HAD]

Danke Emmi,
natürlich sind Zwiebelmuster und Strohblumenmuster allein schon durch die großen Marken Meißen und Dresden mit Handmalerei berühmt, und das wurde von Vielen auch preisgünstiger im Druckverfahren nachgeahmt, doch die Flut von altem, billigem Serienporzellan mit dem Muster China Blau ist geradezu umwerfend. Schön ist es wirlich, sonst hätte meine Frau alte Geschirr ihrer Oma nicht aufbewahrt.

Gruß
Harald