Deutung von expressionistischen(?) Schnitzereien

[anim]

Guten Abend, ich habe hier Paar aus Bücherschrank und Schreibtisch mit seltsamen Schnitzereien, die ich bis auf weiteres in die Richtung Expressionismus einordnen würde. Dieser Stuhl im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe geht ja in die selbe Richtung, nur mit mehr Aufwand: [Gäste sehen keine Links]
Die Schnitzereien an meinem Schrank sind sehr wahrscheinlich nicht reine Handarbeit, da hat zumindest in den gröberen Detailstufen eine Kopierfräse o.ä. mitgeholfen.

So wie ich es sehe, haben die Schnitzereien irgendwas mit "Ernte" zu tun. Ich habe auch noch einen weiteren Schrank, bei dem dieses Erntethema auch eingesetzt wird und bei dem die Formen nicht ganz so stark verfremdet sind. Da habe ich dann Gemeinsamkeiten gesehen! Aber hier weiß ich nicht mehr jede Einzelheit zu deuten.

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Wer kann die ganzen Details deuten?

Ich habe den Schrank und Schreibtisch in den 1990er Jahren in Pinneberg bei Hamburg über eine Konkurrenzzeitung der Annoncen-Avis gekauft.

[Pikki Mee]

Moin,

vielleicht wäre es für die Möbelexperten hier ganz hilfreich, die Stücke beide auch mal ganz in ihrer gesamten Formensprache zu sehen... bitte stell doch noch Bilder dazu ein.

*Pikki*

[anim]

Werde ich machen. Ich komme aber wahrscheinlich nicht vor dem nächsten Sonntag dazu, Fotos zu machen. In der Gesamterscheinung sind Schrank und Schreibtisch typische Möbel aus der Zwischenkriegszeit. Der Schrank hat in der Mitte noch eine größere Glastür und der Schreibtisch ist für die Zeit von der Form her auch 08/15. Streamline-Moderne meets Kaukasich Nussbaum.
Die einzige Besonderheit sind diese ungewöhnlichen Schnitzereien. In einem ganz ähnlichen Stil sieht man hier in Hamburg manchmal noch Fassadendeko an Klinkerbauten aus den 1920er bis 1930er Jahren.

[lins]

Servus anim,

was ich hier alles gezeigt bekomme. Noch nie gesehen.
@Pikki hat Recht, ich hab mir auch sofort gewünscht, die Möbel ganz zu sehen, die mit diesen Reliefs geschmückt sind. Aber es kommen ja irgendwann noch Bilder.
Ich kann also nur meine Assoziationen beitragen:
- Art Deco, - abstrakter Expressionismus, aber speziell Kandinsky und (lacht nicht) - Spritzdekor, Schwelle zum Bauhaus. Hamburg kenne ich zu meinem Bedauern nicht, geschweige denn die Hausfassaden, die Du ansprichst.
Ich finde die Reliefbänder so großartig gemacht, dass es mir ausnahmsweise sogar schnurz ist, wie viel Maschine da daran beteiligt war. So was geht vielleicht nur mit Maschinenhilfe? Übrigens, grade fällt mir auch noch "Anna Blume" ein.
Da habe ich eine gewisse Ähnlichkeit gesehen
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Aber ansonsten muss sich das bei mir erst mal setzen.
Hier noch Holzwerk von Joost Schmidt
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Ich bin wieder Stunden lang auf Bauhausseiten "hängengeblieben".
Aber, - ich möchte auch nicht verschweigen, dass ich, nachdem Du von „Ernte“ gesprochen hattest, nach Ähren oder und Schwertern gesucht habe. Auf den Bildern ist davon nichts zu sehen, weshalb ich einen Zusammenhang zur „Blut und Boden“ Kunst erst mal weglasse. Natur ja.
Vielleicht eher Möbel für einen Gartenmenschen.

Erst mal
Gruß Lins

[Pikki Mee]

Hoj,

Hamburg kenne ich zu meinem Bedauern nicht, geschweige denn die Hausfassaden, die Du ansprichst.

wenn Du magst, schau mal nach Chile-Haus - das ist das Beispiel schlechthin für Stromlinie und dunkel gebrannten Klinker [Gäste sehen keine Links]
...oder Brahms-Kontor [Gäste sehen keine Links] ansonsten vielleicht
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Habe auch Assoziationen ähnlich wie @lins mit Spritzdekor, aber irgendwie auch noch mit was anderem... komme momentan nicht drauf, aber irgendwie in Glas... gut.. warten wir mal Bilder noch ab...

*Pikki*

[anim]

Ja, hier noch ein weiteres Beispiel für solche expressionistische Fassadengestaltung in Hamburg:
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Das ist jetzt nach 1933 entstanden und im Vergleich zu dem Relief an meinem Schrank schon mit gebremstem Schaum. Wo Richard Kuöhl (Der Gestalter dieses Eingangs) "nur eine Pille eingeworfen hat", hatte der unbekannte Künstler meines Schranks mindestens schon "2 Pillen genommen".

Wenn man durch Vorkriegs-Backsteinviertel in Hamburg geht, sieht man diesen Stil ziemlich häufig an der Fassade.

[Pikki Mee]

was ich assoziativ bei Glas meine: Steinschönau/Haida .. Dekore der Glasfachschulen in den 1920ern... schau da vielleicht mal durch [Gäste sehen keine Links]
Oder für Pinner [Gäste sehen keine Links]

*Pikki*

[thalasseus]

Hallo zusammen,

ich finde Eure Beiträge/Assoziationen zu dem Stück zunächstmal völlig zutreffend. Ich musste auch an Bauschmuck bzw Baukeramik in Norddeutschland denken, auch hier in Schleswig-Holstein fallen mir da ein paar Sachen ein (Alwin Blaue z. B., [Gäste sehen keine Links] ). Auch bei dem Schrank hier haben die einzelnen Motive viel Luft bzw Fläche um sich herum, sie sind teils kantig-abstrakt und spielerisch hieroglyphisch. Insofern trifft sich das mit dem gezeigten Stuhl im Hamburger MGK.

Mich stört jedoch etwas dieses Label "Expressionismus"... Sicher, das hat irgendwie alles miteinander zu tun und schöpft von einander, Neues Bauen, Art Déco, expressionistische Natursymbolik, (auch) Heimatschutzarchitektur... etc. Und natürlich hängt es davon ab, wie weit man den begriff fasst....Aber...irgendwie finde ich die "Pros" im Falle des Schrankes etwas mager.
Der Hamburger Stuhl ist in Groß- und Kleinform "durchgestaltet", in beidem sehe ich eine expressive Geste, (auch) ein gewisses Pathos, ... die dreieckige Armehne mit den kristallin wirkenden Schnitzereien, ebenso die Füße, die "Karyatiden" unter den Armlehnen etc. Und natürlich dieses Sonne-Gebirge-Ornament...das ist viel waghalsiger. Ich finde, da kann man wirklich sagen "expressionistisches Möbelstück". Dagegen ist der Reliefstreifen des Schrankes bloß Dekor, be-swingt zwar und rhythmisch, aber doch deutlich braver.
Entschuldigt die Kritik, das scheint schon ein sehr schönes Möbel zu sein:-)

LG, thal

[anim]

Ich bin nun doch noch heute dazu gekommen, mit dem letzten Tageslicht zwei Bilder von Schrank und Schreibtisch zu machen. Wie man sieht, ist die sonstige Form nichts besonderes für die geschätzte Entstehungszeit 1930 +/- 5 Jahre:

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Der Schubladengriff am Schrank ist in den 1950er Jahren dazu gekommen. Das war ursprünglich so gedacht, dass man die Schublade mit dem Schlüssel auf- und zuschiebt. Hat aber nicht lange gehalten. An den Türen im Schreibtisch fehlen die Schlüsselschilder.

Das einzig Besondere sind hier tatsächlich die Schnitzereien...

[lins]

Servus zusammen,
hi anim,

Deine Möbel wirken auf mich, trotz der schlechten Bildqualität, sehr wohlproportioniert und ansprechend. Und mit dem sparsamen Bänderschmuck finde ich das gerade richtig gemacht. Die Symbolik der Bänder lässt mir natürlich immer noch keine Ruhe, auch wenn sie auf Andere noch so brav wirkt.
"Spielerisch hieroglyphisch", hat @thalasseus gemeint, ja diese Aufreihung erinnert stark daran.
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Das ist nur blind in die Riesenkiste des Angebotes im Netz gegriffen. Diese kakteenartigen Zeichen finden sich hier wieder.
Ob das natürlich in der Art Déco Zeit als das Archaische in die Kunst eingeflossen ist müsste man noch mal überprüfen.

Gruß Lins